In Abistan, einem riesigen Reich der fernen Zukunft, bestimmen die Verehrung eines einzigen Gottes
und das Leugnen der Vergangenheit das Herrschaftssystem. Jegliches individuelle Denken ist abgeschafft; das Eingeschworensein auf ein allgegenwärtiges Überwachungssystem steuert die Ideen und verhindert abweichendes Handeln. Offiziell heißt es, die Bevölkerung lebt einvernehmlich und im guten Glauben. Doch Ati, der Protagonist des dystopischen Romans »2084. Das Ende der Welt« des algerischen Schriftstellers Boualem Sansal, der explizit anknüpft an Orwells Klassiker »1984«, hinterfragt die vorgegebenen Direktiven. Ati macht sich auf die Suche nach einem Volk von Abtrünnigen, das in einem Ghetto lebt, ohne in der Religion Halt zu suchen ...
Während George Orwell in seinem Zukunftsroman das totalitäre Regime Stalins vor Augen hatte, entwirft Boualem Sansal in seinem Roman das Szenario eines Regimes, das auf der religiösen Überhöhung einer Ideologie beruht. In Abistan sind Fragen oder Diskussionen gänzlich überflüssig
geworden: Eine kleine Gruppe von Herrschenden sorgt für die Gemeinschaft ebenso wie für das Wohlergehen des Einzelnen, wobei den Regeln des Staates folgend das Streben nach spiritueller Erleuchtung den Alltag eines jeden Bürgers diktiert. Sansals Vision ist zugleich faszinierend und erschreckend - in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche mahnt sie zu gelebter Brüderlichkeit, toleranter Demokratie und einsichtiger Freiheit. Johannes Haun stellt den Roman zur Diskussion.
Boualem Sansal, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels des Jahres 2011, ist am 27. März 2025 wegen einer Meinungsäußerung zur algerischen Geschichte zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
In Kooperation mit dem Literaturcafé des F(l)air Weltladen Lüttringhausen der Ökumenischen Initiative Lüttringhausen.