Ressentiment trifft politisches Kalkül. Die Entscheidung des Stadtrates zur Ausweisung der jüdischen Gemeinde 1423/1424
Das Verhältnis von Juden und Christen im mittelalterlichen Köln ist gekennzeichnet von einer wechselvollen Geschichte. Sie reicht von einem respektvollen Miteinander über ein mehr oder weniger nachbarschaftliches Nebeneinander bis hin zu einem sich immer stärker abgrenzenden Gegeneinander. Zunehmende Ausgrenzung und Aggression gipfeln 1349 in einem fürchterlichen Pogrom, das die jüdische Gemeinde nahezu auslöscht. Flucht, Vertreibung und Wiederansiedlung münden schließlich 1424 in der durch einen Ratsbeschluss angeordneten Ausweisung der Juden aus Köln.
Die Erinnerung an die Vertreibung der Kölner Jüdinnen und Juden vor 600 Jahren sind Anlass, sich mit der christlichen Sicht auf das Judentum in zahlreichen Bildwerken zu befassen. Diskriminierende Wirkmechanismen und das schleichende Gift einiger bildlicher Darstellungen haben sicher die zunehmend negative Haltung gegenüber dem Judentum bis heute nachdrücklich mit beeinflusst. Gleichzeitig gilt es zu differenzieren, wo keine diskriminierende Absicht unterstellt werden kann.
Gerade angesichts eines immer wieder neu aufbrechenden Antisemitismus müssen viele erhaltene christliche Kunstwerke heute kritisch hinterfragt, zugleich aber deren historischer Kontext in den Blick genommen werden, um sich mit den mentalitäts- und sozialgeschichtlichen Ursachen wie deren Folgen auseinanderzusetzen. Damit rückt zugleich die Frage nach dem heutigen Umgang mit antijüdischen Kunstwerken in den Mittelpunkt.
Stadt• Punkte ist eine Vortragsreihe, die von DOMFORUM, dem Förderverein Romanische Kirchen Köln e.V. und dem Katholischen Bildungswerk Köln veranstaltet wird. Die Vorträge umfassen die Themen Kunst, Stadt und Kirche. In diesem Jahr ist zusätzlicher Kooperationspartner das MiQua, LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln.
Prof. Dr. Carla Meyer-Schlenkrich, Historisches Seminar der Universität Münster, Abteilung für westfälische Landesgeschichte